Eine Runde rund um das gesamte Rhein-Main-Gebiet – mit dem Fahrrad an einem Wochenende. Dank Regionalpark Rhein-Main kein Problem.
Ein Overnighter, ein 100er mit dem Gravelbike und 200 km in zwei Tagen – all das war schon lange auf meiner Fahrrad-Bucketlist. Am vorletzten Aprilwochenende habe ich mir diese Ziele mit einem Freund zusammen vorgeknöpft: Zu zweit sind wir einmal die komplette Regionalpark-Rhein-Main-Rundroute mit dem Fahrrad abgefahren. Das sind insgesamt ca. 200 km.
Der Plan war: Wir fahren ungefähr die Hälfte am ersten Tag, übernachten am anderen Ende der Rhein-Main-Region und sind dann am nächsten Tag zurück in Mainz.
Regionalpark Rhein-Main?
Besser als Wikipedia kann ich es echt nicht erklären:
Der Regionalpark Rhein-Main ist ein Netz aus parkartig oder naturnah gestalteten Wegen und Grünflächen im Rhein-Main-Gebiet. Dieses seit dem Jahr 2011 schrittweise im Ausbau befindliche Netz soll die naturnahen Grünzüge zwischen den Siedlungen der Region verbinden und zur Freizeitnutzung für Wanderer und Radfahrer erschließen.
Man kann sich das, wenn man nicht in so einer Gegend wohnt, ja schlecht vorstellen: Ballungsraum, 5,8 Millionen Menschen – da denkt nun wirklich niemand daran, dass man hier hunderte Kilometer durch die Wildnis radeln kann. Genau das erstaunt mich hier aber immer wieder: Wie grün es außerhalb der Stadtzentren von Wiesbaden, Frankfurt, Mainz, Offenbach, Rüsselsheim, Hanau usw. ist. Dazu gibt’s jede Menge renaturierte Steinbrüche, Lehm- und Kiesgruben, sodass dieser Regionalpark auch industriegeschichtlich ganz spannend ist (vor allem im ersten Teil zwischen Hochheim und dem Vordertaunus).
Tag 1: Von Mainz nach Offenbach
Bei der Routenwahl haben wir uns an dem orientiert, was Cyclingclaude mal aufgeschrieben hat (er ist die Runde an einem Tag gefahren, das war uns definitiv zu viel und hätte ich auch gar nicht geschafft, dazu später mehr). Geändert haben wir gegenüber der Cyclingclaude-Route (die weitgehend dem offiziellen Streckenverlauf folgt) zwei Dinge:
- Start in Mainz
- Zwischenstation in Offenbach-Bürgel im Hotel zur Post
Landschaft und Wege: 1-
Landschaftlich und wegetechnisch ist der erste Teil der Route ein Traum: Man fährt ja immer am hügeligeren nördlichen Ende des Rhein-Main-Gebiets entlang, dadurch ergeben sich immer wieder spektakuläre Aussichten über die Ebenen. Der Untergrund ist echt abwechslungsreich: Wirtschaftswege aus Beton oder Asphalt wechseln sich mit feinem Schotter und sandigen Waldwegen ab – das hatte ich ehrlich gesagt nicht so erwartet, ist aber wie gemacht fürs Gravelbike.












Im Verlauf des weiteren Vordertaunus wird’s dann manchmal etwas eintönig („Oh, guck mal, wir radeln durch ein grellgelbes Rapsfeld, wie schön!“ – „Hmpf, schon wieder ein Rapsfeld, das kann ich jetzt echt nicht mehr riechen!“). Wir hatten am vorletzten Aprilwochenende heftigen Gegenwind und das anfangs sonnige Wetter wurde dann immer grauer – auch das mag dazu beigetragen haben, dass man sich dann irgendwann auch ein bisschen sattgesehen hatte. Sehr schön war dann wiederum fast zum Schluss der ersten Etappe aber noch der Abschnitt an der innerhalb der Deiche renaturierten Nidda.
Und auch wenn es Richtung Taunus ziemlich hügelig wurde: Die meisten Steigungen waren voll okay, nach 122 km hatten wir ca. 750 Höhenmeter auf der Uhr – das ist also weit entfernt von Gebirge. Nur bei Gegenwind würde ich das vielleicht exakt so nicht nochmal machen.
Infrastruktur: 3-
Großartig ist am Regionalpark Rhein-Main eigentlich die Verkehrsinfrastruktur: Überall sind die Radrouten gut ausgeschildert, auch auf Sehenswürdigkeiten abseits des Tracks wird immer mit Wegweisern hingewiesen. Als besonders hilfreich haben wir die Boden- oder (im Wald) Baummarkierungen empfunden, die an Kreuzungen immer auch anzeigen, wo es als nächstes weitergeht. Denn wenn man so mit noch 15-20 Sachen auf die Kreuzung zufährt, tut man sich doch bisweilen ein bisschen schwer, Navi-Anweisungen und eine Handvoll Wegweiser der verschiedenen Regionalpark-Routen oder auch des normalen Radwegenetzes in Einklang zu bringen. Da helfen dann die Markierungen enorm. Dafür gibt’s auf jeden Fall eine klare 1- (das Minus, weil die Markierungen nicht überall sind).
Nun ist einer der großen Vorteile des Regionalparks Rhein-Main: Man fährt immer im Grünen herum. Der Nachteil ist: Man fährt immer im Grünen herum.
Der Rund-Radweg wird konsequent um die Städte und Dörfer geführt und berührt die allenfalls mal in Randbereichen. Das bedeutet dann auch, dass man auf der Suche nach Espresso oder Essbarem immer abbiegen muss (und dann schon sowas wie einen Plan braucht oder Menschen fragen muss). An sich wäre das ja kein Problem – solche Abstecher sind aber halt nicht ausgeschildert. Wenn ich an der Strecke irgendeinen Hinweis sähe, dass es 2 km neben der Strecke geilen Espresso und veganen Kuchen oder ein Schnitzel mit Pommes gäbe, wäre ich ja dabei. Denn guter Kaffee und genug Nahrung sind echt wichtig beim Fahrradfahren – besonders wenn es kühl ist.
Besonders seltsam: Selbst bei den „Regionalpark-Portalen“ hatte zumindest am Samstag und Sonntag Vormittag kein Café oder Restaurant offen (konkret probiert haben wir es bei den Weilbacher Kiesgruben, auch beim Wetterpark Offenbach sah aber am nächsten Tag nichts offen aus); es gäbe dann noch einige Hofstationen, von denen sich aber bis auf eine auch nicht alle als Verpflegungsstationen aufdrängten. Gut getan hat hingegen eine Einkehr im „Hofladen“ (eigentlich mehr ein Öko-Supermarkt) am Dottenfelder Hof. Da gab es Espresso und frisches Wasser direkt an der Strecke.
Auch Hinweise auf Hotels entlang der Strecke sind sicher ausbaufähig (sowohl bei der Online-Planung als auch bei der Ausschilderung). So hatten wir den Umstand, dass die erste Etappe 122 km lang war und die zweite entsprechend kürzer, auch der Tatsache zu verdanken, dass das am einfachsten zu findende fahrradfreundliche Hotel auf etwa halber Strecke eben nicht auf etwa halber Strecke zu finden war.
Mein Fazit zur Infrastruktur: Ich würde es vorziehen, grundsätzlich in der Wildnis zu bleiben, aber hin und wieder sowas wie kulinarische und sanitäre Zivilisation zu erfahren. Mein Traum wären ja sowas wie Fahrrad-Raststätten entlang solcher Radrouten, etwa in festen Abständen so wie auf der Autobahn. Aber natürlich verstehe ich auch, dass sich das eventuell an einem wolkig-windigen Samstag Ende April nicht so mega rechnet.
Für fast alle Strapazen entschädigte aber dann das letzte Wegstück: Von Hanau bis nach nach Offenbach-Bürgel ging es durch zwei Schlossparks und am Main entlang in wunderbarer Spätnachmittagsstimmung.
Besser waren dann nur noch die heiße Dusche und das Essen in der Post in Bürgel bei Offenbach – sicher keine fancy High-End-Zimmer, dafür preiswert, die Fahrräder konnten wir in einer abgeschlossenen Garage parken und der gegrillte Oktopus war einfach der Hammer.
Etappe 2: Von Offenbach zurück nach Mainz
Eines vorweg: Am zweiten Tag haben wir ein bisschen geschummelt und uns den südlichen Schlenker der Original-Route über das hessische Ried gespart.
Die 122 km an Tag 1 waren vielleicht doch etwas viel, wir befürchteten Regen, es war kühler als erwartet und wir wollten schnell nach Hause. Das haben wir dann auch geschafft.












Der Weg führt zunächst durch Wälder rund um Offenbach, dann aber auch immer wieder mal durch ausgiebige Felder, vorbei an Gutshöfen oder durch beinahe steppenartige Landschaften – wunderbar abwechslungsreich, mit gefühlt wesentlich mehr Waldautobahn und hügeliger als erwartet. Das machte dann auch nochmal richtig Spaß, obwohl der erhoffte Rückenwind nicht ganz so gnädig war.
Auch hier zeigte sich aber wieder das oben erwähnte Verpflegungsproblem, sodass wir bei Langen in den Ort abbogen, uns zur nächsten Bäckerei durchfragten und nach einem Espresso- und Frühstücksstopp beschlossen, direkt Richtung Rüsselsheim abzukürzen, um dann am Main entlang zurück nach Mainz zu fahren. Das war dann wegetechnisch nicht mehr ganz so idyllisch (man fährt zwar anfangs noch über Waldwege, dann aber viel auf Radwegen an Straßen entlang), dafür kommt man schnell vorwärts.
Bis zur Haustür waren’s dann nochmal 80 km – die Abkürzung hat sich also definiv gelohnt! Bis zur Mainspitze wären es auf der Rhein-Main-Rundroute durch das hessische Ried nochmal 88 km von Offenbach aus gewesen, damit hätten wir die 100 wahrscheinlich am zweiten Tag nochmal geknackt; so viel Ehrgeiz musste dann auch nicht gerade sein bei meinem ersten Unterfangen dieser Art.
Fazit: Machen, aber …
… ob ich diese Runde nochmal fahren würde, weiß ich nicht – bei etwas angenehmerem Wetter (kein Gegenwind, 20 Grad) kann ich mir das aber gut vorstellen. Besser wäre aber definitiv, die beiden Etappen etwa gleich aufzuzteilen; so bleibt dann mehr Energie für den zweiten Tag. Und auf alle Fälle kann ich empfehlen, sich vorher über die Verpflegung unterwegs noch ein paar Gedanken zu machen und vielleicht das eine oder ander Café in den richtigen Abständen schon mal online abzuchecken.
Insgesamt aber in jeder Hinsicht ein feines Natur-Abenteuer – direkt vor der städtischen Haustüre. Und jetzt laufen natürlich die Planungen für noch größere Abenteuer.