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Schrauberei

Umbau auf elektronische Schaltung und neuer Lenker

Ich habe mein Fahrrad auf eine elektronische Schaltung umgerüstet und ihm bei der Gelegenheit noch einen neuen Lenker spendiert. Das war heftigste Schrauberei, aber hat sich gelohnt. Gamechanger. Absolute Empfehlung.

Umwerfer-Frust und Schaltzug-Ärger

Der Umwerfer muss weg. Seit zwei Jahren nervt das Ding wirklich hart, es sammelt jeden Winter Schlamm und Dreck ohne Ende, kein Wunder, dass man es kaum noch eingestellt bekommt. Als jetzt auch noch das Schaltwerk rumzickt, ist klar: Irgendwas muss passieren mit der GRX-Schaltung.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Die GRX 400, die an meinem Rad werksseitig verbaut war, ist eine feine, solide Schaltgruppe. Selbst die 10 Ritzel reichten mir absolut aus – dank besagtem Umwerfer, also mal 2 also theoretisch 20 Gänge (praktisch nutzt man die ja nicht alle). Auch das Prinzip von Schaltzügen hat meinen Respekt: Wenn unterwegs mal was kaputt geht, kommt man doch recht leicht an so ein Drahtseil. Kann man auf längeren Touren auch easy einpacken. Ich bin ein Freund von solide erprobter Technik und deshalb habe ich damals bei der Umrüstung meines Mountainbikes auch sehr bewusst auf mechanische Bremsen gesetzt (mit größeren Bremsscheiben waren die auch recht bissig, absolute Empfehlung für die Avid BB7 MTB, falls jemand sowas vorhat). Aber um Bremsen geht es hier nicht, sondern um Schaltungen. Deswegen der Reihe nach.

Die Schaltung funktionierte wirklich gar nicht mehr. Vor allem in den mittleren Gängen musste ich gegen heftigen Widerstand andrücken, oft mehrmals hin- und herschalten, um in den gewünschten Gang zu kommen. Zunächst hatte ich die Kassette im Verdacht (nein, die war’s nicht), dann die Kette (die auch nicht), und nachdem ich beides ausgetauscht hatte, war klar: Das Problem muss weiter oben liegen, möglichweise irgendwo zwischen Schalthebel und der Stelle, wo der Seilzug wieder aus dem Rahmen kommt, in der Nähe der Kurbel.

Weniger Gänge sind mehr

Seit Februar liebäugelte ich mit einer elektronischen Schaltung, die ich bis dato für überflüssigen Schnickschnack gehalten hatte. Seit ich aber bei der Cyclocross-WM in Hoogerheide beobachten konnte, dass wirklich viele dort mit elektronischen 1fach-Schaltungen unterwegs waren, kam ich ins Grübeln. Was mich bislang davon abgeschreckt hatte, waren die doch teils hohen Abstände zwischen den Gängen; für die 1×11-Systeme von Shimano hatte ich das schon mehrfach durchgerechnet und kam zu dem Schluss: Das passt nicht so richtig zu meinem Fahrten und meinem Fahrverhalten – bei niedriger Trittfrequenz im Flachland können große Gangsprünge ganz schön nerven.

Andererseits: Als ich noch ein Mountainbike fuhr, war ich superhappy mit meiner SRAM NX Eagle – mehr als diese 12 Gänge braucht kein Mensch, glaub ich seitdem.

Also war schnell klar: Weniger als 12 Gänge sollten es nicht sein. Damit war die GRX – egal ob mechanisch oder elektronisch – schon mal raus. Kamen nur noch die Campagnolo Ekar (13 Gänge) und irgendeine SRAM XPLR (Rival oder Force, um ehrlich zu sein – die Red liegt deutlich über meinem Budget und ihre Vorteile deutlich über meiner Fitness) in Frage. Die 13 Gänge der Campagnolo Ekar sind natürlich eine Ansage – aber ich wollte ja auch weg von den Seilzügen, weil die nur Ärger machten.

Der Markt so: Haha, du Loser!

Letztlich war es auch eine Preis- und Verfügbarkeitsfrage. Ich wollte auf keinen Fall mehr als 1.000 Euro ausgeben und nach dem frustrierenden Erlebnis mit Austausch der Kassette und Kette ohne Verbesserung habe ich ewig recherchiert und doch keine verfügbare Rival-AXS-XPLR-Gruppe gefunden. Die Campagnolo Ekar überstieg mein Budget so schon, da ergab es auch keinen Sinn, auf die elektronische Variante zu warten. Ich war schon kurz davor, vorübergehend mal eine SRAM-Apex- oder Shimano-GRX-11fach-Gruppe zu besorgen und die zu testen – da stieß ich auf einen kleinen, aber feinen SRAM-Spezialisten in Hamburg Münster, der mich nicht nur außerordentlich gut beriet, sondern auch noch alle notwendigen Teile vorrätig und dazu noch gute Preise hatte. Christian von Procycle-Parts.de ist echt eine Empfehlung, wenn es um SRAM-Antriebe geht.

Samstag Nachmittag: Bring the Action!

Nach einigem Hin- und Hergemaile (Christian antwortet auch sonntags) kam Mitte der Woche ein feines Paket mit SRAM-Teilen von Procycle-Parts. Dann noch ein bisschen Zubehör bestellt (man braucht z.B. ein Bleeding-Kit, wenn man die Bremsleitungen im Rahmen verlegt und dann natürlich auch Bremsflüssigkeit und einen Leitungsschneider) – pünktlich Samstag Mittag war alles da und es konnte losgehen.

Das macht man natürlich nicht einfach so, sondern man schaut sich erst mal ein paar YouTube-Videos an. Ich kann da die Anleitungen von SRAM sehr empfehlen, daneben lohnt es sich auch, noch 1-2 andere How-Tos zu schauen.

Zuallererst musste natürlich mal der alte Kram runter. Also: Kette abgemacht (da sieht man erst mal, wie abgerockt zwei Jahre alte Kettenblätter sein können!), vom Lenkerband wollen wir mal lieber nicht reden.

Das meiste Kopfzerbrechen bereiteten mir sowohl bei der Demontage als auch der Montage die Bremsleitungen; da hilft nur Schneiden und massiver Einsatz von Küchentüchern, um größere Ölunfälle zu vermeiden. Gleichzeitig war das auch der Teil, bei dem ich in Bezug auf die Montage am meisten Respekt hatte.

Bremsleitungen kürzen für blutige Anfänger

Ein Tipp, der mir geholfen hätte: Es gibt offensichtlich keine Möglichkeit, die vormontierten und vorbefüllten Bremsleitungen heil durch den Rahmen zu bringen. Auch, dass man das werksseitig verbaute Zeug an den Leitungen nicht einfach abschrauben kann, sagt einem niemand. Man muss die Schläuche mit der werksseitig eingepressten Olive etc. abschneiden, dann versuchen, sie irgendwie zu verschließen, durch Rahmen und Gabel ziehen, und dann nach Anleitung wieder montieren (Olive, Feststellschraube etc. wird alles mitgeliefert – sonst wäre die Show nach einer Stunde mitten im größten Chaos schon vorbei gewesen). Und alleine die Leitung durch die Gabel zu ziehen, hat mich sicher eine halbe Stunde gekostet, weil – natürlich – im Inneren so einer Carbongabel mehr Platz ist als nur für einen Schlauch. Aber am Ende hat es geklappt, was für eine Erleichterung.

Drahtseile vs. Rahmen: 1:0

Beim Entfernen der alten Seilzüge lernte ich dann auch, wo das Problem lag: Offensichtlich war die Tülle an der Stelle, an der der Seilzug zum Schaltwerk vorne in den Rahmen gesteckt wurde, so marode, dass sich der Seilzug in die Ränder des Lochs im Rahmen gefressen hatte.

Autsch. Kein Wunder, dass damit kein normales Schalten möglich war. Hätte es für mich noch eines Arguments bedurft, warum eine Schaltung ohne Seilzüge ganz großartig sein würde: Da war es. Ein Glück, dass diese Schwachstelle künftig wegfiel. Seilzug: Ersatzlos gestrichen. Jetzt muss ich nur noch diese überflüssigen Löcher im Rahmen irgendwie loswerden.

Jeder Lagerschale ihr eigenes Werkzeug

Die nächste Herausforderung war die Kurbel bzw. das Innenlager (vulgo: Tretlager). Keine Ahnung, warum – aber mein Lagerschlüssel passte natürlich nicht auf die alten BSA-Lagerschalen von FSA, sondern nur auf die DUB-Innenlager von SRAM. Zum Glück mussten die alten nur weg – da war eine Rohrzange durchaus ein valides Werkzeug. Sonst wäre das der nächste Showstopper gewesen, da das Projekt für Werkzeugbeschaffung hätte unterbrochen werden müssen. Kann man die Teile nicht normen? BTW: Auch, dass jeder Hersteller für jedes Produkt andere Befestigungs- und Einstellschrauben verwendet, macht mich dezent wahnsinnig.

Das SRAM-Innenlager war dagegen schnell montiert; eine kleine Denksportaufgabe gab’s nur bei der Kurbelmontage, weil ich wirklich beide Spacer brauchte (BSA 68 mm und WIDE-Kurbel). Das kannte ich so noch nicht. Inzwischen weiß ich, dass das so gehört und kein Fehler ist. Wegen der Kettenlinie und so.

Das Schaltwerk hielt ich persönlich für den einfachsten Teil – eine fatale Fehleinschätzung, wie sich bald herausstellte. Dachte ich, da könne man nicht viel falsch machen, war ich ganz schön verwirrt, als das obere Schaltröllchen sich ständig mit dem großen Kettenblatt zu verkanten drohte. Hätte ich mal ein paar YouTube-Videos dazu geguckt, dann hätte ich gewusst, dass das erstens für ordentlich Spannung auf der Kette sorgt (und man gut daran tut, die dann auch schnell zu montieren und nicht erst ewig rumzuschrauben) und zweitens die Einstellschraube für den „Chain Gap“ mit dem SRAM-Chain-Gap-Tool ja vielleicht auch noch eine Funktion hat. Also, klarer Fall: Wenn das alles wahnsinnig eng zwischen Schaltröllchen und Kassette ist: Das gehört so und man stellt das dann mit der Kette schon richtig ein. Die Feineinstellung des Schaltwerks geht übrigens am Einfachsten mit der AXS-App. Schaltung einstellen via App – recht viel cooler geht’s nicht.

Apropos Kette: Da ich mit den Ketten von KMC (vor allem den goldenen) bisher gute Erfahrungen gemacht hatte, hatte ich auf die Original-Flattop-Kette von SRAM verzichtet und wollte lieber auf das 12fach-Modell von KMC setzen. Ob das eine gute Idee war, wird sich noch zeigen – die Geräuschentwicklung nach der Montage sprach erst mal dagegen, nach den ersten 100 km läuft sie aber inzwischen deutlich ruhiger. Ob die SRAM-Kette besser läuft, teste ich dann aber spätestens, wenn die KMC-Kette ihren Dienst getan hat.

Und so war dann nach 4 Stunden alles bereit für die erste Probefahrt auf der Spielstraße hinter dem Haus. Der Proberunde würde ich mal eine 4+ geben – es waren noch ein paar Einstellungen notwendig. Nun mussten Fahrrad und ich aber erst mal eine Pause zwecks Nachtruhe einlegen.

Sonntag Morgen: Ob das mal gut geht … ?!

Am Sonntag Morgen standen dann auf dem Programm: Schaltung einstellen, Bremsen entlüften und – davor hatte ich nach der Sichtung mehrerer YouTube-Anleitungen am meisten Respekt – Lenkerband wickeln. Stellte sich raus: Lenkerband und Bremsen waren viel unproblematischer als befürchtet.

Die Einstellung der Schaltung ist mit der Anleitung von SRAM kein Thema. Allerdings sollte man sie sich durchaus genau anschauen – ich brauchte zum Beispiel ein bisschen, bis ich die Sache mit Chain Gap und dem Messwerkzeug auch richtig verstanden hatte.

Die Entlüftung der Bremsen war ebenfalls Neuland für mich: Während man bei Shimano-Bremsen die Bremsflüssigkeit von unten – also dem Bremssattel – mit einer Spritze ins System spritzt und am Bremshebel nur ein Becher aufgeschraubt wird, arbeitet man bei der SRAM-Bremse genau andersrum und mit zwei Spritzen. Ich kann empfehlen, nicht an der Bremsflüssigkeit zu sparen – unter Druck verliert die doch ein wenig an Volumen, wodurch es bei meiner zweiten Bremse am Ende etwas eng wurde und ich improvisieren musste, um auch wirklich die Luft aus dem System zu bekommen. Insgesamt aber eine überwiegend saubere Angelegenheit. Pro-Tipp: Es schadet nicht, wenn man zu zweit ist oder Tools zur Hand hat, um die Spritze am Bremssattel irgendwie aufrecht zu fixieren.

Neuer Lenker – absoluter Gamechanger

Hey, Moment mal, warum hab ich eigentlich kein Wort über die Montage der Brems-Schalthebel (STIs) verloren? Das hat einen einfachen Grund: Ich nutzte die Gelegenheit, um auch gleich einen neuen Lenker – den Ritchey Venturemax V2 – zu verbauen.

Ob es eine gute Idee war, die neuen STIs an den neuen Lenker zu verschrauben und den Lenker dann nach Montage der Bremssättel komplett auszutauschen, weiß ich noch nicht. Ich bin fast geneigt, die Montage des Lenkers in einem Arbeitsgang komplizierter zu finden. Mit dem Wissen von heute hätte ich den auch schon vor Monaten montieren können, denn die Sache mit dem Lenkerband – die mir so viel Respekt eingeflößt hatte – war wirklich easy. Verwendet habe ich das „BBB Gravel Ribbon“ (gekauft bei Amazon); die Rezensionen klangen gut und ich wollte für den ersten Versuch kein besonders teures Band verschwenden. Und was soll ich sagen: Dank der sensationellen Anleitung zum Lenkerbandwickeln von vit:bikes habe ich das aufs erste Mal halbwegs ordentlich hinbekommen. Wie haltbar das nun ist, weiß ich nicht – aber ich habe nun auch keine Angst davor, das jedes Jahr wieder und jedes Mal ein bisschen besser zu machen.

Nach den ersten längeren Fahrten muss ich sagen: Das Lenkerband und der Lenker sind der Hammer – ein absoluter Gamechanger: Der Lenker wirkt viel agiler, griffiger und vor allem im Unterlenker sehr viel handlicher und ergonomischer. Das hätte ich schon sehr viel früher machen sollen. Auch der doch recht ordentliche Flare (also dass der Unterlenker etwas ausgestellt ist), vor dem ich etwas Respekt hatte, ist ziemlich genial: Da ich die STIs sowieso etwas nach innen gedreht habe, ergänzt sich das hervorragend und fühlt sich alles super bequem an. Nur direkt am Übergang der STIs zum Lenker brauche ich vielleicht beim nächsten Versuch etwas mehr Polster. Das ist mit diesem Lenkerband übrigens auch unproblematisch: Ich habe mehrere Stellen wieder auf- und nochmal neu gewickelt. Das bedeutet, dass ich das theoretisch auch nochmal komplett aufwickeln könnte, oder eben das „alte“ Band in Kombination mit neuem Lenkerband für ein paar Ergonomie-Hacks einsetzen könnte. Mal schauen.

Sonntag Nachmittag: Wer hat mir dieses Grinsen ins Gesicht getacktert?

Und dann konnte es auf die erste Testfahrt gehen. War die Schaltung am Anfang noch etwas ungewohnt (man drückt anfangs noch manchmal gegen den Bremshebel statt auf die linke Schaltwippe, um ein Ritzel höher zu schalten), machten die smoothen und vor allem völlig anstrengungslosen Schaltvorgänge nach wenigen Metern schon mächtig Spaß. Einfach auf die jeweilige Schaltwippe tippen, kein Gezicke wegen zu wenig Druck oder sowas. Es macht einfach Knack – und der nächste Gang ist drin.

Die Schalthebel (ich hatte mir wegen großer Hände die Force-Version gegönnt) liegen satt in der Hand wie überhaupt der ganze Lenker. Es fährt sich wie ein neues Fahrrad: So griffig, so reaktionsschnell in jeder Hinsicht – so ein großer Spaß. Mit breitem Grinsen im Gesicht absolvierte ich die ersten 37 Kilometer – zum Glück hat mich niemand gefragt, warum ich mich so freue. Wobei … das hätte ich natürlich gerne und ausgiebig erklärt.

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