Was macht man, wenn man bei ordentlichem Westwind keinen Bock auf Gegenwind, aber dank Urlaub etwas mehr Zeit übrig hat? Richtig, man fährt einfach geradeaus nach Osten. Das war zumindest der Plan.
Ich wollte schon länger mal im Mönchbruch herumfahren, allerdings ist das von Mainz aus meistens eine Streckenlänge, bei der dann die Rückfahrt schon ein bisschen drüber sein kann (zumindest, wenn man nicht jede Woche an die 100 km und mehr fährt). Meine Wohlfühldistanz liegt meistens so um die 60 km. Kleiner Spoiler: Durch die geringe Anzahl an Höhenmetern geht hier durchaus auch etwas mehr Strecke.
Was ich auch schon länger mal aus der Nähe anschauen wollte, war das Luftbrückendenkmal am Frankfurter Flughafen – spätestens seit diesem schönen Video von Pachamama/Orbea über eine Gravel-Route, die von Frankfurt nach Berlin auf der Route der Rosinenbomber führt.
Ein guter Startpunkt ist irgendwo in Mainz am Rheinufer – ich bin wie häufig aus meinem Vorort kommend am Zollhafen in die Tour eingestiegen. Der Weg am Rhein entlang ist unter der Woche okay (am Wochenende bei schönem Wetter sind zu viele Fußgänger unterwegs, mit denen man sich die schöne Promenade teilt). Auf die andere Rheinseite ging’s dann über die Eisenbahnbrücke im Süden; die Autobahnbrücke in Weisenau wäre auch okay, ist aber wegen der Autos direkt neben dem Radweg ein bisschen stressiger.
Vorteil dieser Variante: Direkt nach Gustavsburg fährt man schon weitestgehend auf einer der Regionalpark-Rhein-Main-Routen. Dadurch gibt es immer auch was zu sehen am Wegesrand, und der Weg führt abseits der großen Straßen, oft mitten durch die Felder und Wälder. Solange man den Wind im Rücken hat, macht das einfach nur Laune.
Erster Stopp: Opel-Rennbahn
Auf feinsandigem Schotter und Asphalt geht es fix zur Opel-Rennbahn, einem Industriedenkmal, das seit vielen Jahren in den Wäldern südlich von Rüsselsheim seinen Dornröschenschlaf schläft.



Seit 1946 finden hier zwar keine Rennen mehr, statt – aber man kann die Steilkurven noch gut sehen (und auch, wie die Natur sich das Beton-Oval allmählich zurückerobert). Der Rennbahn bin ich ein paar km gefolgt (man kann auch gut bis zur Hälfte drumherum fahren), dann links Richtung Osten abgebogen und hatte es nun mit einer schönen Passage über freie Felder zu tun – ganz angenehm mit Rückenwind; bei Ostwind vielleicht nicht ganz so empfehlenswert.
Mönchbruch = Waldautobahnen bis zum Abwinken
Rund um Rüsselsheim-Königstädten ist es nicht ganz so romantisch, man durchquert u.a. auch ein kleines Industriegebiet und anschließend ein Autobahndreieck. Aber dann, dann wird’s interessant: Der Mönchbruch ist ein ausgedehntes Naturschutzgebiet von alten Sümpfen und Wäldern. Weil hier alles megaflach ist und viele Waldwege hier durchführen, ist das ein absolutes Gravel-Paradies, weil man wirklich viel abwechslungsreiche Natur durchfahren kann. Bei Wikipedia heißt es: „Die gut befestigten Wege in ebenem Gelände werden von Radfahrern gern genutzt.“ Kann ich nun bestätigen. 😉
Übrigens auch, was dort über den Fluglärm steht: Man merkt sehr schnell, dass man dem Frankfurter Flughafen sehr nahe kommt und so wundert man sich auch nicht, wenn man diesen plötzlich direkt vor sich hat – in Form der Startbahn West. An der geht es ein Stück entlang, bis man dann schnell wieder in den Wald einbiegt. Besser so.










Kilometer um Kilometer wird der Fluglärm leiser, man landet wieder tiefer und tiefer im Wald. Ich fragte mich schon mehrmals, ob ich noch richtig bin – Navi sagte aber standhaft ja. Bei Walldorf wird der Weg dann kurviger und ist gesäumt von Info-Tafeln, die auf die nächste historische Besonderheit dieser Strecke hinwiesen.
Zufallstreffer: KZ-Gedenkstätte Walldorf
Eigentlich hatte ich das KZ-Außenlager Walldorf gar nicht in meiner Tourplanung berücksichtigt; ich wusste noch nicht einmal, dass es existiert(e). Wenn man nicht auf die Schilder achtet, kann man tatsächlich auch leicht vorbeifahren – was ein Fehler wäre.
Hier lohnt sich ein Zwischenstopp tatsächlich sehr und man sollte sich auch ein bisschen Zeit nehmen, um einige der Info-Tafeln und die Geschichten an der wirklich sehr schön gestalteten Gedenkstätte zu studieren.










Das eigentliche KZ-Außenlager wurde nach Kriegsende gesprengt und dann wuchs buchstäblich und metaphorisch Wald über die Sache, bis ab den 1970er Jahren die Geschichte dieses Ortes wieder erforscht und die Überreste des Lagers ausgegraben wurden. Seit den 1980er Jahren gibt es einen Gedenkstein, seit den 2000ern auch die Gedenkstätte, dank tatkräftiger Unterstützung der Margit-Horváth-Stiftung.
Rosinenbomber und Mauerstücke
Nach kleiner Pause ging es weiter zum eigentlichen Ziel meiner Reise, dem Luftbrückendenkmal ganz im Osten am Rand des Frankfurter Flughafens. Hier findet man nicht nur die Skulptur, die ihr Gegenstück in Berlin hat, sondern auch zwei Flugzeuge aus der Zeit, als West-Berlin durch die berühmten „Rosinenbomber“ versorgt wurde. Passenderweise steht hier noch ein weiteres Stück Berliner Mauer mit einer Info-Tafel. Auch hier lohnt sich natürlich ein kurzer Zwischenstopp.






Der anschließende Weg verläuft größtenteils zwischen Flughafen-Vorfeld und A5. Nicht unbedingt romantisch – aber immerhin konnte man einen Blick auf das neue Terminal 3 werfen, das derzeit noch gebaut wird.
Am Frankfurter Flughafen kann man dann Zug oder S-Bahn zurück nach Mainz nehmen. Ich habe die Tour noch über Frankfurt und Offenbach bis nach Hanau verlängert und bin damit noch ein bisschen durch die Wälder und am Main entlang gefahren. Auch schön.
Was ich übrigens sonst noch so gelernt habe: Wenn der Wind nicht direkt aus Westen, sondern Südwesten kommt, hat man ihn auf dieser Strecke gerne auch mal von der Seite – das relativiert das Vergnügen etwas. Und im Wald dämpfen die Bäume den Rückenwindeffekt auch nochmal. Sprich: Man braucht nicht unbedingt eine steife Brise von hinten, um diese Tour zu fahren.